Reisebericht Island: Mehr Abenteuer geht nicht

„Meine sehr verehrten Damen und Herren, aufgrund des schlechten Wetters in Island, sind wir uns nicht sicher ob eine Landung überhaupt möglich ist. Zugunsten der Sicherheit haben wir uns deshalb dazu entschlossen, einige Gepäckstücke in Berlin zu lassen und dafür eine grössere Ladung an Sprit mitzunehmen, da es unter Umständen sein kann, dass wir umkehren und in Glasgow landen müssen.“

Vier Stunden später haben wir Gewissheit. Nicht ‚ein paar‘ Gepäckstücke sind in Berlin geblieben sondern alle bis auf eine Hand voll.  Über hundert Passagiere stehen ohne Gepäck am Flughafen. In Island. Im Winter. Bei Sturm. Suuuuper ooober meeega klasse!

Kein Gepäck bei Minusgraden

Wenigstens schalteten wir schnell und teilten uns sofort auf. Mein Freund wartete beim Gepäckband in der wagen Hoffnung, dass doch noch irgendwann irgendetwas auftauchen würde. Ich stelle mich unterdessen schon einmal beim ‚Lost Bagagge‘ Schalter an und warte. Kurz darauf konnten wir auch schon unsere Vermisstenmeldung (welche wir bereits im Flieger ausgefüllt hatten) abgeben. Wenigstens haben wir bereits die Hotels gebucht, sodass wir auch die Adressen angeben können wohin das Gepäck schlussendlich geliefert werden soll. Kurz darauf holen wir unseren weissen Suzuki bei Europcar ab und machen uns mit der Beschreibung des netten Vermieters auf den Weg zum nächsten Outletstore. Wir decken uns ein. Nur das nötigste. Handschuhe, Kappe, Unterwäsche und Hygieneartikel. Wir zahlen 26‘000.00 ISK. Umgerechnet etwas mehr als 200 Schweizer Franken. Ein teurer Spass.

Mit dem Auto machen wir uns auf den Weg zu unserer ersten Unterkunft. Es ist schon Nachmittag und wir entschliessen und für eine vermeintliche Abkürzung. Wir biegen von der Hauptstrasse N1 auf eine Nebenstrasse ein. Über 30 Minuten fahren wir auf einer Menschenleeren Strasse durch die wilde Landschaft. Dann kurz vor der letzten Abbiegung liegt ca. 20 Meter lang Schnee auf der Fahrbahn. Ein verlassenes Auto welches wohl im Schnee stecken geblieben ist, macht die ganze Situation nicht viel besser. Wir haben keine Schaufel oder ähnliches um den Schnee wegzuräumen. Nur unser Auto und die Spickes die darauf sind. Wir entscheiden uns einen Versuch zu starten. So kurz vor dem Ziel wollen wir nicht aufgeben. Vor allem wollen wir nicht den ganzen Weg zurückfahren und einen noch weiteren Umweg machen. Mein Freund gibt Gas. Wir kommen gut voran. Die ersten 10 Meter. Dann bleiben wir stecken. Schock. Unser Auto gräbt sich immer tiefer in den Schnee ein. Es geht weder vor noch zurück. Ich steige aus (wohlbemerkt im Pullover und in Turnschuhen) und versuche zu schieben, während mein Freund den Rückwärtsgang einlegt. Nach unzähligen Versuchen, in denen der Motor bei der leichtesten Erhebung wieder abstirbt, können wir uns endlich wieder befreien. Das wir hier nicht durchkommen steht fest. Wir drehen um. Besser wir fahren den Umweg, als es dem anderen Auto gleichzutun, dessen Besitzer wohl losgelaufen ist um Hilfe zu holen. Denn etwas haben wir in dieser kurzen Zeit schon gelernt. Wenn etwas ist und du bist nicht auf der Hauptstrassen, kann es sein, dass stundenlang keine Menschenseele vorbei kommt.

Nach über drei Stunden Autofahren mit böigem Seitenwind kommen wir völlig fertig an unserer ersten Unterkunft an und freuen uns nur noch auf eine erholsame Nacht. Doch diese Nacht soll nicht so erholsam werden, wie wir es uns gewünscht hätten. Unser kleines Häuschen steht frei am Hang. Keine Bäume die den Wind abfangen und bremsen würden. Es regnet und  stürmt die ganze Nacht hindurch. An Schlaf ist kaum zu denken.

Wasserfall Besuch im Bademantel

Vollkommen erledigt wachen wir am nächsten Morgen auf und überlegen uns was wir tun sollen. Unser Gepäck ist noch nicht eingetroffen und wir haben keine Winterklamotten die es uns erlauben würden uns länger als ein paar Minuten im Freien aufzuhalten. Wir entscheiden uns mit dem Auto der Küste entlang nach Süden zu fahren um den schwarzen Lavastrand in Vik und die Wasserfälle Skógafoss und Seljalandsfoss zu besuchen. Um uns wenigstens etwas warm zu halten, entschliessen wir uns kurzerhand unsere Bademäntel (das einzige auffindbare Kleidungsstück) unter unsere Jacke, respektive Pullover anzuziehen. Sieht komisch aus, ist es auch, aber uns ist alles recht um in dieser Saukälte (entschuldige den Ausdruck) nicht zu erfrieren.

Die Wasserfälle sind schön, aber können uns nicht so beeindrucken, da wir schon weitaus höhere und breitere gesehen haben. Dafür ist der Lavastrand in Vik etwas ganz spezielles. Pechschwarz erstreckt er sich über hunderte von Metern der Küste entlang. Wir erlauben uns etwas Sand in eine PET Flasche zu füllen und machen uns auf den Heimweg.

Morgen steht eine Wanderung zu den heissen Quellen an. Doch ohne unsere Winterklamotten und bei diesem Wetter ist daran nicht zu denken. Wir entscheiden uns den Veranstalter anzurufen und die Tour abzusagen. Der Tourguide hat zum Glück Verständnis für unsere Situation und erstattet uns den Preis entsprechend zurück. Später an diesem Abend kommt unser Gepäck an. Wir sind überglücklich, entscheiden uns aber aufgrund des Wetters trotzdem gegen die morgige Tour.

So verbringen wir Tag drei in unserem Cottage. Lesen und hören Musik. Nach draussen zu gehen steht nicht zu debate. Am Morgen, als wir zum Frühstück aufbrachen wurde uns die Haustür förmlich aus den Händen gerissen und wir mussten uns zu zweit (!) dagegen stemmen um sie wieder zu schliessen. Wir verkriechen uns in unserem Bett und hoffen auf besseres Wetter.

Gullfoss und Geysir

Der nächste Tag ist immer noch stürmisch, doch wenigstens regnet es nicht mehr in Strömen und unser Cottage wird sogar kurz ins Sonnenlicht getaucht.

Wir fahren mit dem Auto nach Norden zum Gullfoss Wasserfälle und zum grossen Geysir. Ein unglaubliches Schauspiel. Der Geysir explodiert alle 8 Minuten aus eigener Kraft und schiesst eine bis zu 35 Meter hohe Wasserfontäne in den Himmel hinauf.

Den Nachmittag verbringen wir anschliessend im Thermalbad Laugarvatn Fontana Spa. Endlich entspannen. Bis zu 40 Grad ist das Wasser heiss und wir bekommen den „Chuenagel“. Besonders als wir uns in den gefrorenen See wagen und anschliessend zurück ins heisse Wasser hüpfen, fühlt es sich an, als ob uns am ganzen Körper Nadeln in die Haut gestochen werden.

Leider ist unser Aufenthalt in Hella schon wieder vorbei und wir müssen weiter. Wir fahren die bislang längste Strecke nach Norden. Wir durchfahren dabei einen Tunnel, welcher unter dem Meer hindurch führt. Aufgrund der schlechten Belüftung ist alles in dichten Nebel gehüllt und wir sind froh, als wir am anderen Ende heil hinauskommen.

An unserem neuen Zuhause angekommen sind wir schon ein wenig schockiert. Unsere Reservierung ist wohl nicht mehr auffindbar und so erhalten wir ein kleines Häuschen welches eigentlich im Winter gar nicht vermietet wird. Ein etwa ein cm grosser Spalt in der Türe macht dies nur noch deutlicher. Auch ist die Heizung ausgefallen und es steht lediglich ein kleiner Elektroofen im Häuschen. Es ist eiskalt und erst nach einigen Stunden schafft es der kleine Ofen das ganze Häuschen zu heizen. Auch das Wetter ist immer noch nicht besser. Die Sonne und leider auch die Nordlichter (weswegen wir eigentlich extra und ausschliesslich nach Island reisten) haben wir bis heute nicht gesehen. Was eine Ernüchterung. Am nächsten Tag wäre ein selbstfahrer Ausflug auf die Halbinsel Snaefellsnesgeplant. Doch diese sei lediglich im Sommer einen Besuch wert. Super.

Reykjavik

Wir entscheiden uns, die Unterkunft bereits am nächsten anstatt dem übernächsten Tag zu verlassen. Auf eigene Faust haben wir über Booking.com eine Unterkunft in Keflavik gebucht. Auf unserem Weg dahin machen wir einen Schlenker über Reykjavik und schauen uns die Stadt an. Zudem wollen wir eine Nordlichtertour buchen. Doch auch diese wird aufgrund des schlechten Wetters abgesagt. Auch erfahren wir, dass das Wetter erst seit dem Tag, an dem wir gelandet sind, so miserabel sei. Auch die Isländer selber seien sich solches Wetter nicht unbedingt gewöhnt und blieben lieber zuhause. Enttäuscht machen wir uns auf den Weg nach Keflavik, im Wissen, dass uns nur noch zwei Nächte bleiben um die Nordlichter zu Gesicht zu bekommen.

In Keflavik werden wir herzlich empfangen. Wir sind in einem kleinen Bed & Breakfast gelandet. Gudny ist eine liebenswerte Frau die uns herzlich begrüsst und uns unser Zimmer zeigt. Wir befinden uns in ihrem alten Haus, welches sie früher mit ihrer Familie bewohnt hat. Mittlerweile wohnt sie ein paar Strassen weiter.

Entspannung in der Blue Lagoon

Wir haben wie die Bären geschlafen und sind endlich einmal erholt. Gestern haben wir noch einen Badeaufenthalt in der Blauen Lagune gebucht. So machen wir uns nach unserem ausgedehnten Frühstück auf um uns einen entspannten Tag zu gönnen. Im Vorfeld haben wir oft gelesen, dass der Ort total mit Touristen überfüllt sein soll. Als wir jedoch ankommen sind wir positiv überrascht. Die Besucherzahl hält sich in Grenzen und verteilt sich wegen der immensen Grösse des Bades gut über den ganzen Bereich. Wir geniessen den Tag bei Schlammmasken und feinen Skyr-Smothies (Isländisches Jogurt) und lassen die Seele baumeln. Auch die Sonne zeigt sich für kurze Zeit das erste Mal und lässt zeigt, dass die Blaue Lagune ihren Namen reichlich verdient hat.

Ein anschliessender Spaziergang um den nicht für Badegäste zugänglichen Bereich der Lagune rundet unseren Aufenthalt ab.

Die letzte Nacht verbringen wir im Hotel Berg. Schon beim Betreten wünschen wir uns Gudny und ihr Bed & Breakfast zurück. Das Personal ist unfreundlich und unmotiviert. Die Einrichtung wohl seit den 80iger Jahren nicht mehr erneuert worden. Was sich unser Reiseanbieter dabei gedacht hat ist uns schleierhaft. Nur schon weil diese Übernachtung mehr als das Dreifache als die Übernachtung bei Gudny kostet. Aber wenigstens müssen wir nur eine Nacht hier ausharren. Morgen geht es schon wieder zurück in die Schweiz. Wenigstens kommen wir erst am späten Nachmittag hier an, da wir den ganzen Tag in der Lagune verbracht haben.

Wo sind bloss die Nordlichter?!

Es ist unser letzter Abend in Island. Die erhofften Nordlichter haben wir bis heute nicht gesehen und die Prognose lässt nichts Gutes ahnen. Trotzdem versuchen wir unser Glück und fahren an den südwestlichsten Punkt von Island. Wir warten im Auto. Trotzdem soll uns der Anblick verwehrt bleiben. Unsere letzte Chance die Nordlichter zu sehen ist verstrichen.

Am nächsten Tag machen wir uns etwas niedergeschlagen auf den Weg zurück zum Flughafen. Geben unser Auto ab und unser Gepäck auf. Dieses Mal sollen wir es auch wieder rechtzeitig in Zürich in Empfang nehmen können.

Das Fazit unseres Urlaubs? Eher ernüchternd. Wir wollten ausschliesslich die Nordlichter sehen. Das war unser grosser Wunsch und es hat nicht geklappt. Auch der Sturm die ganze Woche über hat nicht gerade zu einer guten Stimmung beigetragen. Und vom Gepäck müssen und wollen wir gar nicht mehr reden. Island hat sich uns von seiner harten und unbarmherzigen Seite gezeigt. Ein Erlebnis war dieser Urlaub allemal wenn wir auch nicht sagen können, dass es äusserst positiv war. Trotzdem werden wir wohl wieder kommen. Wenn auch nur für ein Wochenende, um bei Gudny zu übernachten und uns nochmals auf die Nordlichterjagd zu begeben. Dann hoffentlich mit mehr Erfolg.


Dieser Beitrag wurde von meiner alten Website auf diese Seite übertragen.
Ursprüngliche Veröffentlichung: 08.02.2018

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Michelle
Michelle
Aufgewachsen in einem 1'000 Seelen Dorf zieht es mich immer wieder in die grosse weite Welt hinaus. Auf meinem Blog findest du Tipps und Inspiration Rund ums Thema Reisen. Wenn du angehende*r Blogger*in bist findest du hier zudem zahlreiche Anleitungen die dir beim Aufbau helfen werden.

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Kommentare

  1. Oh Mann, ihr Armen. Da ist ja einiges schief gelaufen. Wir lieben Island – schade, dass der Zauber nicht übergesprungen ist. Falls ihr irgendwann einen zweiten Versuch starten wollt, geben wir euch gerne Tipps. Wir waren zwei Mal für jeweils zwei Monate im Winter auf Island. Liebe Grüße Jenni

  2. Mannomann, das war mal mal eine Woche wie sie im Buche steht … all das was man eigentlich NICHT gebrauchen kann *g*
    Wer immer den Satz gesagt hat „Snaefellsnes ist nur im Sommer einen Besuch wert“ hat aber nicht die geringste Ahnung, ganz gleich ob es ein Local oder anderer Tourist gesagt hat. Ich war 2x im Winter jetzt dort, genau wie der Rest von Island gefällt es mir viel besser zu dieser Jahreszeit. Wobei „besser“ relativ ist, Island ist zu jeder Jahreszeit eine Reise wert – ganz egal, welches Wetter, welcher Sturm und welche Kapriolen einen vor Ort erwarten 😉 Ich wollte damals auch „bloß einmal hin“, das war jetzt vor 6 Island-Urlauben. Ich wünsch Euch mehr Glück beim nächsten Mal. Bei mir hat es die ersten zwei Urlaube gedauert, bis ich beim dritten mal auch nur ansatzweise brauchbares Wetter hatte. Also nicht verzagen 😉

    • Hi Andreas

      Ja, du sagst es. Das war wirklich ein Abenteuer.

      Gut zu wissen, dass Snaefellsnes auch im Winter gut zu besuchen ist. Es war nämlich wirklich ein Local (der Besitzer des Guesthouses sofern ich mich erinnere) der uns das gesagt hat.

      Wir werden sicher unser Glück nochmals versuchen. Sowohl im Winter als auch im Sommer.

      Herzliche Grüsse
      Michelle

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